Pflichtteil vom Erbe einfordern:
Welcher Anteil steht Ihnen zu?
Nicht jeder, der enterbt wird, geht wirklich leer aus: Nahen Angehörigen steht im Erbfall trotzdem ein Pflichtteil vom Vermögen des Erblassers zu. Wir zeigen Ihnen, wer Anspruch auf diesen Pflichtteil hat und wie hoch dieser tatsächlich ausfällt.
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Was ist der Pflichtteil im Erbrecht?
In einem Testament oder Erbvertrag können Sie frei darüber verfügen, wie Ihr Nachlass nach Ihrem Tod verteilt werden soll. Diese sogenannte Testierfreiheit ist Ihnen im § 1937 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zugesichert. Sie können beliebige Personen zu Ihren Erben bestimmen, andere Personen enterben oder einzelne Vermächtnisse aussetzen.
Das deutsche Erbrecht setzt Ihrer Testierfreiheit allerdings bestimmte Grenzen: Nahe Angehörige haben nach § 2303 BGB auch bei einer Enterbung Anrecht auf einen bestimmten Anteil Ihres Vermögens. Dies ist der sogenannte Pflichtteil im deutschen Erbrecht.
Wer hat einen Pflichtteilsanspruch?
Unter „nahe Angehörigen“ werden nach dem deutschen Erbrecht der Ehepartner, die Kinder sowie gegebenenfalls auch die Eltern des Erblassers und die Nachkommen seiner Kinder gefasst. Sie alle sind Pflichtteilsberechtigte, das heißt sie haben im Erbfall gesetzlichen Anspruch auf einen Pflichtteil vom Erbe.
- Die Eltern und Nachkommen der Kinder (Enkel, Urenkel etc.) sind jedoch nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn es keinen Ehepartner und keine Kinder gibt oder diese nicht mehr am Leben sind.
Pflichtteil berechnen
Der Pflichtteil vom Erbe berechnet sich nach den §§ 1924 bis 1936 BGB. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs. Auch enterbte Ehegatten, Kinder und andere Erbberechtigte haben als Pflichtteilsberechtigte also Anspruch auf 50 Prozent ihres gesetzlichen Erbteils.
Wie hoch der Pflichtteil vom Erbe für alle Angehörigen konkret ausfällt, können Sie den folgenden Beispielen entnehmen.
Pflichtteil des Ehegatten
Der gesetzliche Erbteil des Ehegatten bestimmt sich danach, ob es außer ihm noch andere Erben gibt. Daneben spielt es auch eine Rolle, in welchem Güterstand die Eheleute beim Tod des Erblassers gelebt haben.
- Gibt es neben dem Ehegatten noch Erben 1. Ordnung (Kinder oder Enkelkinder), hat der überlebende Partner im Erbfall gesetzlichen Anspruch auf ein Viertel (1/4) des Nachlasses. Der Pflichtteil bei Enterbung beträgt also ein Achtel (1/8).
- Gibt es neben dem Ehepartner noch Erben 2. Ordnung, so beträgt der gesetzliche Erbteil für den überlebenden Partner im Erbfall die Hälfte (1/2) des Nachlasses. Demnach beträgt der Pflichtteil bei Enterbung ein Viertel (1/4).
- Sind die Großeltern des Erblassers erbberechtigt (Erben 3. Ordnung), beträgt der Pflichtteil bei Enterbung für den überlebenden Ehegatten ebenfalls ein Viertel (1/4) des Nachlasses.
Pflichtteil des Ehegatten bei Zugewinngemeinschaft
Die meisten Ehepaare leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Diese tritt bei jeder Eheschließung und beim Eintragen einer Lebenspartnerschaft per Gesetz in Kraft, solange es keinen anders lautenden Ehevertrag gibt.
- Wird der überlebende Ehegatte einer Zugewinngemeinschaft enterbt, so hat er neben seinem erbrechtlichen Pflichtteil von einem Viertel (1/4) des Vermögens nach §§ 1371 ff. BGB gegebenenfalls zusätzliche Ansprüche gegenüber den Erben.
- Wenn der verstorbene Partner während der Ehe nämlich einen höheren Gewinn erwirtschaftet hat als der Überlebende, so steht diesem im Erbfall die Hälfte des Überschusses zu.
- Diese Regelung wird als „güterrechtliche Lösung“ bezeichnet.
Pflichtteil des Ehegatten bei Gütertrennung
Wenn die Ehepartner beim Todes des ersten Partners im Güterstand der Gütertrennung gelebt haben, so erben die Kinder und der überlebende Partner nach der gesetzlichen Erbfolge je die Hälfte des Vermögens. Bei Enterbung beträgt der Pflichtteil für den überlebenden Partner demnach ein Viertel (1/4) des Nachlasses.
Pflichtteil des Ehegatten bei Gütergemeinschaft
Im Fall der Gütergemeinschaft gelten keine besonderen Regelungen. Dem überlebenden Partner gehört bereits die Hälfte des gemeinsamen Vermögens. Im Erbfall wird die andere Hälfte wie oben beschrieben unter dem Ehegatten und den erbberechtigten Verwandten aufgeteilt.
Haushaltsgegenstände
Zusätzlich zu seinem erbrechtlichen Pflichtteil erhält der überlebende Ehegatte nach § 1932 BGB die Hochzeitsgeschenke sowie alle Haushaltsgegenstände, die er zur Führung eines angemessenen Haushalts braucht.
Übersicht: Pflichtteil des Ehegatten
Mit 1 Kind | Mit 2 Kindern | Mit mehr als 2 Kindern | |
Pflichtteil bei Gütertrennung | 1/4 | 1/6 | 1/8 |
Pflichtteil bei Zugewinngemeinschaft (güterrechtliche Lösung) | 1/8 + Zugewinnausgleich | 1/8 + Zugewinnausgleich | 1/8 + Zugewinnausgleich |
Pflichtteil bei Gütergemeinschaft | 1/8 | 1/8 | 1/8 |
Pflichtteil der Kinder
Der Pflichtteile für die Kinder berechnet sich danach, wie hoch der Pflichtteil für den Ehegatten ausfällt. Der Erbteil des Ehepartners wird immer zuerst festgelegt. Wenn es mehrere Kinder gibt, erben alle zu gleichen Teilen.
- Beim Tod des letzten Elternteils erben die Kinder laut gesetzlicher Erbfolge das gesamte Vermögen. Der Pflichtteilsanspruch gegenüber den testamentarischen Erben beträgt in diesem Fall also die Hälfte des Nachlasses.
- Ist ein Kind bereits vor dem Tod des Elternteils verstorben, gehen die Erbschaftsansprüche laut Erbrecht auf seine eigenen Kinder über.
Pflichtteil der Kinder beim Berliner Testament
Das Berliner Testament ist ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die beiden Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Der Pflichtteilsanspruch der Kinder besteht selbstverständlich auch in diesem Fall.
Um zu verhindern, dass Kinder im Erbfall ihren Pflichtteil einfordern, fügen manche Ehepaare ihrem Berliner Testament deshalb die sogenannte „Pflichtteilsstrafklausel“ hinzu. Diese enterbt die Kinder für den Fall, dass sie nach dem Tod des ersten Ehepartners ihren erbrechtlichen Pflichtteilsanspruch geltend machen.
Pflichtteil der Eltern
Als Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Verstorbenen laut § 1930 BGB nur dann erbberechtigt, wenn es keine Erben erster Ordnung gibt (Kinder und deren Nachkommen). Beim Tod des ersten Ehegatten beträgt der Pflichtteil für die Eltern dann ein Viertel (1/4) des Nachlasses. Stirbt eine ledige Person oder ein überlebender Ehepartner kinderlos, haben die Eltern Anspruch auf die Hälfte (1/2) des Nachlasses als Pflichtteil.
Pflichtteil der Geschwister
Die Geschwister des Verstorbenen zählen – als Nachkommen seiner Eltern – ebenfalls zu den Erben zweiter Ordnung. Für sie gelten dieselben Regelungen wie für die Eltern. Sie sind nach dem deutschen Erbrecht allerdings nur dann erbberechtigt, wenn die Eltern des Erblassers ebenfalls bereits verstorben sind (Stammesprinzip).
Unter diesen Umständen beträgt der Pflichtteil für die Geschwister (1/4) des Nachlasses, wenn der erste Ehepartner kinderlos stirbt, und die Hälfte (1/2) des Nachlasses, wenn er ledig oder als letzter Ehepartner stirbt.
Verlust des Pflichtteilsanspruchs und Pflichtteilsentziehung
Unter bestimmten Umständen kann der Erblasser den Erben sogar ihren Pflichtteilsanspruch entziehen – zusätzlich zur Enterbung. Mögliche Gründe für eine Pflichtteilsentziehung sind im § 2333 BGB festgelegt:
- Der Erbe trachtet dem Erblasser, seinem Ehepartner, einem seiner Nachkommen oder einer anderen dem Erblasser nahestehenden Person nach dem Leben.
- Der Erbe hat ein Verbrechen am Erblasser, seinem Ehepartner, einem seiner Nachkommen oder einer anderen dem Erblasser nahestehenden Person begangen.
- Der Erbe hat den Erblasser oder dessen Ehepartner vorsätzlich körperlich schwer misshandelt.
- Der Erbe ist seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser nicht nachgekommen.
- Der Erbe wurde wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt oder es wurde seine Unterbringung in einer Psychiatrie oder Entzugsanstalt angeordnet.
Der Erblasser muss die Pflichtteilsentziehung laut § 2336 BGB in seinem Testament oder Erbvertrag anordnen und dazu auch den Grund für die Pflichtteilsentziehung angeben.
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Wer muss den Pflichtteil auszahlen?
Der Erbe beziehungsweise die Erbengemeinschaft des Verstorbenen ist dazu verpflichtet, den Pflichtteilsanspruch zu erfüllen, das heißt den Pflichtteil des Erbes an den Pflichtteilsberechtigten auszuzahlen.
So fordern Sie den Pflichtteil ein
- Fordern Sie vom Erben ein detailliertes Nachlassverzeichnis an.
- Prüfen Sie, ob das Verzeichnis vollständig ist und der von den Erben ermittelte Nachlasswert stimmt.
- Ermitteln Sie mithilfe des Nachlassverzeichnisses Ihren Pflichtteil.
- Fordern Sie den Erben schriftlich zur Auszahlung Ihres erbrechtlichen Pflichtteils auf.
Nach der Testamentseröffnung haben Sie drei Jahre Zeit, um Ihren Pflichtteil einzufordern. Danach verjährt Ihr Anspruch.
Kann man den Pflichtteil einklagen?
Wenn der Erbe die Auszahlung des Pflichtteils verweigert, können Sie vor dem zuständigen Nachlassgericht eine Pflichtteilsklage erheben. Die Auszahlung wird dann gerichtlich angeordnet.
Pflichtteilsergänzung
Wenn der Erblasser zu Lebzeiten umfangreiche Schenkungen tätigt und dadurch seinen Nachlasswert verringert, können pflichtteilsberechtigte Erben einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung geltend machen.
Die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Erben hängt vom Wert der getätigten Schenkung ab. In die Berechnung fließen alle Schenkungen der vergangenen zehn Jahre ein; Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke werden nicht mitgezählt.
- Pflichtteilsberechtigte Erben haben je nach Zeitpunkt der Schenkung einen Pflichtteilsergänzungsanspruch zwischen 10 % und 100 % des Geschenkwerts.
- Je länger die Schenkung zurück liegt, desto geringer ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch.
- Die Pflichtteilsergänzung muss grundsätzlich von den Erben geleistet werden. Reicht der Nachlass des Erblassers nicht aus, kann der Pflichtteilsberechtigte nach § 2329 BGB die Herausgabe des Geschenkes vom Beschenkten verlangen.
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Da November keine rechtlich bindende Auskunft geben darf, sind alle Angaben auf dieser Seite unverbindlich, stellen keine juristische Beratung dar und können nicht als abschließend im Hinblick auf sämtliche im Zusammenhang mit dem Erbrecht stehenden Sachverhalte verstanden werden. Wir empfehlen Ihnen, sich zur Beratung an einen Fachanwalt für Erbrecht zu wenden.